Baukultur + Dorfentwicklung

Stellungnahme des ART zur Bauerweiterungsplanung Eglofs-Fuchsbühl


· Die Übernahme von Bauerwartungsland in sensiblen und dorfnahen Bereichen in den Besitz der Gemeinde Argenbühl wird vom RT unterstützt.

Wir befürworten, dass die Gemeinde Bauerwartungsland in ihre Planungs-, Vergabe- und Gestaltungshoheit nimmt. Die Entwicklung und die bauliche Gestaltung unserer Dörfer ist eine öffentliche Angelegenheit und darf nicht überwiegend den Interessen privater Bauherren und Investoren überlassen bleiben.

Als öffentliche Angelegenheit müssen alle Planungsverfahren offen und transparent sein. Gemeinwohl und die Renditevorstellungen von privaten Investoren sind naturgemäß eher gegenläufige Ansätze.

Eine maßvolle Baulandbevorratung durch die Gemeinde unter Zugrundelegung valider Bedarfszahlen halten wir für gerechtfertigt. Die derzeitig beschleunigte Planung nach § 13 b aber halten wir nach wie vor für bedenklich.

Wir befürchten darüber hinaus, dass den Verlockungen der aktuellen Niedrigstzinspolitik und dem damit verbundenen überhitzten Bauboom in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession die Ernüchterung folgt. Baulücken und Bauruinen wären dann die Folgen.

Die vorgelegte alternativlose Planung beinhaltet kein Wohnbaukonzept, das z.B. jungen Familien den Erwerb von Baueigentum oder Wohnraum finanziell erleichtern würde. Das im Haushaltsplan der Gemeinde angestrebte Ziel, mehr als ein Viertel des Investitionsvolumens durch Baulanderlöse abzudecken, müssen wir an dieser Stelle ernsthaft hinterfragen.

· Zur Bauerweiterungsplanung Eglofs-Fuchsbühl fehlen Alternativen.

Die bisherige Planung schließt moderne gemeinschaftsorientierte Wohnformen von vornherein aus, anstatt sie als Option aufzunehmen.

Wir fordern, den Diskurs über den qualitativen Wandel des Wohnbedarfes und Modelle zu dessen Befriedigung phantasievoll und ergebnisoffen zu führen. Wir wünschen, dass diese Modelle bereits im Frühstadium der Planung als Alternativen konkret sichtbar werden.

Gute Planung ist immer das Ergebnis der Abwägung von Alternativen. Gerade bei der angestrebten Bauweise, die ja Lebensräume verdichtet, ist hochwertige Planung unter Beachtung sozialer Bezüge umso wichtiger. Nach aller Erfahrung erreicht man dies am besten durch Planungswettbewerbe und nicht durch Delegation der Verantwortung an Planungsbüros mit langjähriger Monopolstellung. Dies widerspricht auch den Verwaltungsvorschriften des Landes.[1]

Die Einführung von echtem Wettbewerb in das Verfahren erachten wir als unumgänglich notwendig zur Erzielung guter Ergebnisse. Eine Bereicherung des Verfahrens im frühen Stadium könnte durchaus eine Ideenwerkstatt sein, in die z.B. interessierte Bürger/innen und Vertreter von Schule, Kindergarten, Vereinen, der Jugend und anderen Einrichtungen phantasievolle Vorstellungen einbringen könnten.

Gute Planung braucht Zeit. Der Zeitdruck, der auf dem Verfahren nach § 13 b lastet, mindert die Qualität.

In die Erwägungen zum Entwurf der Bebauungsplanung sind u.E. alternative Überlegungen aufzunehmen bezüglich

- des Wasser- und Energieversorgungskonzeptes,

- des Mobilitätskonzeptes,

- der Freiflächen- und Gartengestaltung, insbesondere auch der Flächenversieglung,

- variabler Vorstellungen zur Mehrwohnungsarchitektur und

- innovativer Wohnmodelle.

Der Bedarf an gemeinschaftsorientierten Wohnformen nimmt zu, die Ursachen liegen in einer veränderten Bevölkerungsstruktur und sich verschärfenden wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen. Es gilt, Wohnmodelle zu entwickeln, die neben diesen Aspekten auch soziale und ideelle Werte wie z.B. die Verhinderung von Einsamkeit berücksichtigen. Solche Modelle passen nicht zu kurzfristiger Renditeorientierung, langfristig sind sie aber zukunftsträchtiger.

Innovativen Wohnkonzepten, die ein Zusammenleben von Alt und Jung, Familien und Singles, Berufstätigen und Ruheständlern usw. fördern, darf nicht schon in den ersten Planungsentwürfen ein Riegel vorgeschoben werden.

Es bedarf eines Nachbarschaftskonzepts zur Durchmischung der sozialen und demographischen Strukturen, es braucht Plätze, an denen soziale Interaktion stattfinden kann. Es ist zu überlegen, wie ein Miteinander mehrerer Generationen in Verbindung innovativer und traditioneller Wohnformen ermöglicht werden kann. Aspekte gemeinschaftlichen Planens und Bauens müssen diskutiert werden. Bauen und Wohnen muss vor allem auch finanziell leistbar sein, daher muss an gemeinnützige Finanzierungsmodelle gedacht werden. So muss z. B. auch die Vergabe von Baugrund über Erbpachtverträge thematisiert werden.

· Die bisherige Planung lässt die wirtschaftlichen, ökologischen und ideellen Möglichkeiten einer Quartierplanung außer Acht.

Wir fordern Planungen auf neuestem Stand nachhaltiger Bauökologie. Wir halten eine solide technologische und ökonomische Folgekostenabschätzung, z. B. durch die erforderliche Erweiterung der Infrastruktur, bereits im Stadium der frühen Planung für unabdingbar.

Standardplanungen aus der Retorte sind der Feind zukunftsfähiger Projekte. Wünschenswert ist es deshalb, neben Infrastruktur- und Versorgungskonzept, das mehr auf Gemeinschaft ausgerichtet ist, an ein Konzept für Ausgleichsflächen zu denken, das ein Verschieben dieser Flächen in beliebig siedlungsferne Gebiete vermeidet. Stattdessen könnten solche Ausgleichsflächen innerhalb des Wohnquartiers dem sozialen Miteinander dienen.

Eine gesamtplanerische Konzeption würde hier neue wirtschaftliche, aber auch umweltverträgliche Möglichkeiten eröffnen. Bei den ökonomischen Aspekten muss im weiteren Sinn auch der Zusammenhang von Dorfbild und Tourismus bedacht werden. Der Erhalt der einstmals prämierten Schönheit unserer Dörfer ist ein Pfund, das man nicht schnellem Profit opfern darf.

· Wir wollen eine Planung, die von Anfang an gestalterisch die lokalen Baustoffressourcen in ihrem Wert wieder achtet.

Der Baustoff Holz ist seit alters her der vorwiegende Baustoff in der Region Allgäu. Man hat in der jüngeren Vergangenheit gemeint, ihn bei der Imitation städtischer Bauweisen verlassen zu müssen.

Heute können wir von unseren Nachbarn in Vorarlberg lernen, wie die gesundheitlichen, ökologischen, konstruktiven und ästhetisch-gestalterischen Potentiale dieses Baustoffes eine beachtenswerte Renaissance erleben. Es sei diesbezüglich auch darauf hingewiesen, dass es in Eglofs eine Osterwaldgenossenschaft gibt, die den Eglofsern früher schon auf kürzestem Weg Bauholz zum Bau ihrer Häuser bereitgestellt hat.

· Wir setzen uns dafür ein, dass für alle Bereiche kommunaler und privater Bauvorhaben in Argenbühl ein 'Baumemorandum' als aktualisierter Leitfaden zu Baukultur und Dorfentwicklung erstellt wird.

Der Gestaltungsbeirat der Gemeinde Argenbühl sollte in erweiterter Form aktiviert werden. Seine erste Aufgabe hat die Erarbeitung eines 'Baumemorandums' zu sein, das die Rahmenbedingungen für Baukultur und Dorfentwicklung in der Gemeinde beinhaltet. Das Baumemorandum stellt das Kompendium der örtlichen Bauleitlinien der Gemeinde für alle privaten und öffentlichen Bauvorhaben dar.

Die Erstellung und Durchsetzung eines Baumemorandums erfordern neben fachlicher Kompetenz vor allem Mut. Ein funktionierender Gestaltungsbeirat mit Bürgerbeteiligung kann da erwiesenermaßen nur hilfreich sein.

Im Einzelnen sollte der Gestaltungsbeirat Stellung nehmen zu

  • Einzel- oder Gruppeninfrastruktur
  • Anpassung an Gelände- und Altbestand
  • Grenzen für Kubaturen und Gebäudeausrichtungen
  • Baumaterialien
  • Fassadengestaltung
  • Nutzung und Bewirtschaftung
  • Freiraum- und Gartengestaltung
  • Quartiervorstellungen

· Wir schlagen eine enge Zusammenarbeit des ART mit dem Gestaltungsbeirat vor.

Der Gestaltungsbeirat hat durch seine Einrichtung wichtige Aufgaben. Um diesen gerecht zu werden, ist ein lebendiger Austausch zwischen Gestaltenden und Betroffenen erforderlich. Hier sind Bürgernähe und Bürgerbeteiligung gefragt. Wie diese das zu realisieren ist, bleibt eine wichtige, gemeindepolitische Aufgabe.

Deshalb möchte der Argenbühler Runde Tisch als ein Forum interessierter und zur Mitarbeit bereiter Bürgerinnen und Bürger zur öffentlichen und fachlichen Diskussion um die künftige und nachhaltige Dorfentwicklung beitragen.

Der ART fordert daher, den Gestaltungsbeirat für die Diskussion mit interessierten Bürgerinnen und Bürger und weiteren Fachleuten zu öffnen, um bei der Gestaltung und Entwicklung unseres Dorfes wie auch bei den aktuell anhängigen Bebauungsverfahren mitwirken zu können.


[1] Vgl. Verwaltungsvorschrift der Landesregierung (BW) über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) vom 24. Juli 2018, §2 Abs. 3, sowie Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte, sog. Unterschwellenvergabeordnung (UvgO vom 8.2.2017), §11, Abs. 4).



Das vom ART beauftragte Entwurfsmodell Fuchsbühl-Erweiterung ist fertiggestellt.

Es wurde in Zusammenarbeit mit dem Architekturforum Allgäu gefertigt und stellt auch nach Ansicht der erstellenden Architekten und Landschaftsgestalter eine realistische und interessante Alternative zur bestehenden Planung dar. Es soll vor allem auch den vielfältigen Aspekten um das Thema Klimaschutz besser gerecht zu werden.

Zur Beurteilung architektonisch-gestalterischer Fragestellungen sind dreidimensionale maßstabsgetreue Modelle virtuellen Computeranimationen immer noch überlegen. Konkrete dreidimensionale Modelle sind wirklichkeitsnäher und erfassen die Planungssituation besser.

Hinzu kommt, daß man bei unserem Modell sozusagen händisch die Bauten verstellen und ihre Lage selbst variieren kann. Ebenso ist es möglich, die Beobachterposition in Eigenregie zu wechseln.

Alles, was die Vorstellungskraft der Beurteilenden und vor allem der Entscheidungsträger unterstützt, muss an dieser und auch an anderer Stelle für Eglofs eingesetzt werden. Das sind wir unserem Dorf schuldig. Das Entwurfsmodell, das der ART auf eigene Kosten erstellen ließ, kostet die Gemeinde nichts, steht ihr aber jederzeit zur Verfügung!

Es hat uns selbst überrascht, wie sehr die Bebauungsplanung von Fuchsbühl-Erweiterung durch dieses Modell an Anschaulichkeit gewonnen hat. Die Diskussion in unserem Kreis wurde bereits bei der Vorstellung des Entwurfsmodelles erneut lebhaft beflügelt. Gern stellen wir unser Entwurfsmodell der Öffentlichkeit vor.

Das ist vorläufig leider nur virtuell über unsere Homepage möglich.

Der ART hält es für sinnvoll, das laufende Genehmigungsverfahren zu unterbrechen, um die neuen planerischen Gesichtspunkte im Gemeinderat eingehend (und inklusive Bürgerfragestunde) erneut zu diskutieren.



Ansicht von Nord nach Süd
Ansicht von Nord nach Süd
Ansicht von Nordwest nach Südost
Ansicht von Nordwest nach Südost



Der ART hat sein alternatives Entwurfskonzept zur Erweiterung des Baugebietes Eglofs-Fuchsbühl inzwischen von fachkompetenter Seite (Architektur/Dorfentwicklungsplanung) beurteilen lassen.

Das Ergebnis bestätigt die Vorstellungen des ART als realitätsbezogen und eingebettet in ein sinnvolles Gesamtkonzept von umweltfreundlichem und zukunftsweisendem Bauen.


Hier die zusammenfassende Experten-Beschreibung im Wortlaut:


Fuchsbühl-Erweiterung Eglofs - ein alternatives Entwurfskonzept

Ansicht von Südwest nach Nordost
Ansicht von Südwest nach Nordost

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Eglofs ist weithin bekannt für seinen schönen Dorfplatz, um den sich wichtige Funktionen des gemeindlichen Lebens in lockerer Form gruppieren und spannende Weitblicke in die Westallgäuer Landschaft gewähren: Eine "steinerne Mitte" zum Wohlfühlen für Einheimische und Gäste, postkartenwürdig eben.

Ebenso postkartenwürdig sollte die neue Mitte am Fuchsbühl gestaltet werden: Sensibel eingebettet in die Wohnbauten des erweiterten Dorfkernes, Treffpunkt für Jung und Alt und ebenfalls mit vielfältigen Ausblicken in die charakteristische Hügellandschaft - eine "grüne Mitte" mit hoher Biodiversität entlang des alten Heubächleweges, angerartig aufgeweitet und aufgrund des nach Südwesten fallenden Geländes mit Retensionsflächen in Kaskaden versehen, die das gesamte Hang- und Regenwasser des Areals sammeln. Über einen kleinen verbindenden Wasserlauf sind Spaziergänger eingeladen, diesen über die eindrückliche Obstbaumwiese östlich der Freien Bauernstraße und den Kirchtobel bis hinunter zur Oberen Argen zu begleiten.

Die auf einem durchgängigen Energie-Konzept basierende Bebauung selbst versucht mit wenigen Stichstraßen auszukommen. Überwiegend Mehr- und Reihenhäuser in ressourcenschonender Holzbauweise tragen der wachsenden Nachfrage nach generationenübergreifenden Quartier-Wohnprojekten Rechnung. Sie gruppieren sich jeweils um überschaubare Erschließungs- und Begegnungshöfe, die sich ihrerseits wiederum aderartig der Hauptschlagader der "grünen Mitte" zuwenden, an der alle Bewohner im Sinne eines sozialen Miteinanders partizipieren.

Der vorliegende Vorschlag basiert auf einer gesamtkonzeptionellen Betrachtung und kann sinnvollerweise in mehreren Bauabschnitten realisiert werden.

Angeregt wird auch, in einem ersten Schritt über die Bebauung des alten Sportplatzgeländes am Sennereiweg nachzudenken.

Argenbühl/21-04-02



Ansicht von Süden
Ansicht von Süden

Die von der Gemeinde Argenbühl der Planung zugrunde gelegte Bedarfsanalyse sehen wir kritisch. Sie ist eine politische Vorgabe, die im Wesentlichen auf den Zahlen einer sehr umstrittenen Regionalplanung basiert.

Wir stellen dem unsere detaillierte Bedarfsanalyse gegenüber, die zu anderen Ergebnissen kommt.

Sie finden sie im nachfolgenden Download: